Kybernetik 3. Ordnung - Warum sie Vielen zuerst schwer fällt

Eines der häufigsten Argumente gegen systemisch-kybernetisches Vorgehen ist, dass es Vielen zu abgehoben, zu weltfremd, zu anstrengend erscheint. Das müssen wir ernst nehmen: Die Welt, die Systemiker und Kybernetiker sehen, ist tatsächlich eine andere.

Systemforscher und Kybernetiker achten auf (größere) Verbindungen, auf die Elementebene der Phänomene und des Systems. Darüber sehen sie auf der einen Seite weniger Anknüpfungspunkte fürs Handeln als Menschen, denen diese Wissenschaft nicht vertraut ist, da sie über die systemischen Verbindungen, Komplexität und Kontingenz der Beobachtungen leichter erkennen, was nicht funktioniert, auf der anderen Seite entwickeln sie ganz andere Methoden, Tools, Modelle und Konzepte, die die Systemik berücksichtigen.

Auf diejenigen, die mit moderner Kybernetik nicht vertraut sind, kann das Ganze dann tatsächlich zu kompliziert, abstrakt oder "zu wissenschaftlich" wirken: Es passt nicht in die eigenen Anpassungsgewohnheiten an sich selbst, Andere, an Welt, und das macht vor allem Kybernetik der neuen Generation (wie über FORMenlogik und FORMWELT-Konzepte, also über FORMWELT- und WELTFORM-Forschung) erst einmal zu einer anstrengenden Sache.

Die Vorteile dieser Wissenschaft(en) liegen aber klar auf der Hand:

- Kybernetik 3. Ordnung eröffnet neue Denk- und Handlungsräume.
- Sie ermöglicht auf der einen Seite weitere Perspektiven, auf der anderen Seite führt sie eine Präzision der Analyse in die System- und Kybernetikforschung ein, die es in der Form vorher nicht gab.
- Sie schließt neue Beratungs-, Informations- und Kommunikationsmärkte auf.
- Sie schafft Klarheit der Bewertung der Funktionalität von Analyse, Modell, Konzept, Tool und Methode.
- Sie kommt mit bestechender Überzeugungskraft, da sie fundamental auf universelle Merkmale komplexer autopoietischer Systeme aufsetzt und damit alles ausschaltet, was den Blick verstellt.
- Sie bringt naturwissenschaftliche Härte in geisteswissenschaftliche Systemforschung, -analyse und Arbeit.
- Sie ermöglicht artifizielle Emulation der Analyse über die FORM des Systems und führt damit eine weitere naturwissenschaftliche Methode in die systemisch forschende und arbeitende Geisteswissenschaft ein:
Die Analyse über das mathematische, über das Computer-Experiment falsifizieren zu können.

Damit setzt sie neue Maßstäbe in allen Bereichen, wo es auf menschliche Einschätzungskraft, Modellbildung in soft sciences, Organisation und Kommunikation ankommt.

Wir sollten nicht erwarten, dass eine solche Errungenschaft direkt in unsere Synapsen passt. Das tut keine wirklich neue Forschung.

Kybernetik 3. Ordnung gleicht darin der Quantenphysik:

Niels Bohr soll sieben Jahre gebraucht haben, um für seine Arbeit eine nennenswerte Lobby zu bekommen. Kybernetik 3. Ordnung - und mit ihr FORMWELT- und WELTFORM-Forschung - ist an der mathematischen Basis nicht so herausfordernd wie Quantenphysik, sie fordert aber an vergleichbarer Stelle, nämlich an weltanschaulicher: Mit den Modellen von unserer Welt erschaffen wir Welt. Konfrontiert mit anderen, aber vor allem mit emergenten Modellen, können wir zuerst nicht sehen, was uns da gezeigt wird. Wir erkennen den neoperspektivischen Vorteil nicht, weil wir es über die Modelle beurteilen, mit denen wir alles beurteilen. Wir können nicht sehen, was wir nicht sehen. Hier sind wir erst einmal blind.

Genau an dieser Stelle empfinden diejenigen, die mit dem emergenten Modell nicht vertraut sind, nur vage Kritik an ihrem Denken, Sprechen und Handeln, und das ist der Moment, wo der evolutionär in uns eingebaute Konservativismus greift. (Ein Phänomen übrigens, das sich mit den artifiziellen Emulationen aus FORMenlogik ebenfalls demonstrieren lässt.)
Das Fremde wird als anstrengend, vielleicht sogar als Kritik an der eigenen Person, an den eigenen Errungenschaften wahrgenommen und erst einmal ausgegrenzt, abgeurteilt, beiseite geschoben oder, wenn das nicht geht, bekämpft.

Das ist ein ganz normaler Mechanismus, mit dem jeder cutting edge Forscher und Künstler erst einmal leben muss. Nach einer Weile, wenn die Mutigeren oder Verzweifelteren unter den Menschen anfangen, mit dem Neuen umzugehen, wird Vertrauen geschaffen, dass es vielleicht nicht so falsch, gefährlich, anstrengend, seltsam, irre ... ist, wie es anfangs ausgesehen hat.
Wir ähneln darin allen anderen Rudel-Säugetieren: Wenn wir sehen, dass es Anderen nicht schadet, sondern sogar Vorteile bringt, steigen wir ein.

In dem Augenblick, in dem erste Zugänge zu Kybernetik 3. Ordnung geschaffen werden, erkennen die Mutigen, die dem Rudel vorangehen diese größere, komplexere (aber eben gleichzeitig auch präzisere) Welt. Sie lernen sich neu anzuschauen, darin zu arbeiten und zu urteilen und so schaffen sie sich damit evolutionäre Vorteile, die Andere noch nicht haben und die auf Andere dann attraktiv wirken.

Daher rührt das Bedürfnis Vorsichtiger, sofort "Anwendungen" gezeigt zu bekommen, was mit Kybernetik 3. Ordnung - im Gegensatz zu vielen anderen geisteswissenschaftlichen Errungenschaften - auch direkt geht:

Mit RdU: Reorganisation des Unbestimmten zum Beispiel können Kommunikationssysteme unterschiedlicher FORM anschaulich gemacht und am Computer emuliert werden. Fokus, Kontext und Umwelterwartung von Mensch und System werden analysiert, diese FORM wird in den Kontext (der) andere(n) FORMen gebracht, und das Analyseresultat wird anschließend über SelFis oder Crazy Machines (das sind selbstreferenzielle und autopoietische Emulationen der FORM des Systems) als Experiment laufen gelassen: Stimmt die Analyse, kann der Analyst anschließend Vorschläge zur Veränderung der FORM des Systems liefern, die tatsächlich sehr leicht umsetzbar sind, da sie sich rein auf Handeln, auf Ausrichten von Fokus, Kontext und Umwelterwartung konzentrieren.

Was kompliziert klingt, ist sehr einfach, sobald man gelernt hat mit den FORMen zu arbeiten.

Die direkten Vorteile, die Berater, Politiker, Manager, Teamleiter, Leader ... aus RdU ziehen, sind unter anderen folgende:

- Kostenersparnis: Wer so analysieren kann, muss nicht mehr herumraten. Das Computerexperiment zeigt uns augenblicklich, ob unsere Analyse stimmt.
- Weniger menschlicher Stress: Kommunikationskonflikte werden häufig versucht über Mediationsarbeit, psychologische Arbeit ... bewältigt zu werden, doch die "Arbeit am Mann" ist für die Betroffenen nicht nur anstrengend, sie greift auch am Eigentlichen vorbei, denn das Problem ist das Kommunikationssystem, nicht zwangsläufig das psychische. Kybernetik 3. Ordnung achtet streng auf Kategorienfehler, und soziale Systeme mit psychologischen Modellen und Methoden greifen zu wollen heißt, ins Leere zu fassen.
- Mathematisches Experiment: Wer dem Wort nicht glaubt, folgt der Mathematik. Mit SelFis und Crazy Machines kann man nicht diskutieren, man kann höchstens versuchen, die ganze Forschung dahinter zu ignorieren.
- Emergentes Organisationsdesign: Die Funktion der Organisation besteht darin, ihre Kommunikation so zu organisieren, dass sie die jeweiligen Ziele der Organisation möglichst nicht noch zusätzlich stört, am besten sogar unterstützt. Da kann man lange am Menschen arbeiten: Die Systemtheorie lehrt uns, dass Menschen nicht kommunizieren, sondern dass Kommunikation kommuniziert. Folglich heißt Arbeiten mit Kybernetik 3. Ordnung Kommunikationsorganisation - und das so effizient und effektiv, wie es mit vereinter Kraft von Mensch (Analyst) und Maschine (SelFi und Crazy Machine) möglich ist.
Mit FORMWELT wird langfristig möglich, dass die Analysen auch von der Maschine vorgeschlagen werden, so dass ein weiteres Überprüfungskriterium eingeführt werden kann.
- Höhere Geistesklarheit: Durch Konzentration auf das Wesentliche lernen diejenigen, die sich in Kybernetik 3. Ordnung einarbeiten, Analysen erster Güte zu erstellen. Hier wird wissenschaftliches Denken vergleichbar intensiv trainiert wie über wissenschaftstheoretische Modelle und Tools, und tatsächlich lassen sich FORMWELT und WELTFORM auch genau so einsetzen.
- Verbesserte Kommunikationsfähigkeiten: Ob nun Individuen, Gruppen, Teams oder Organisationen - wer lernt auf den Punkt zu schauen, entwickelt augenblicklich auch besseres Gespür dafür, welche Kommunikation wo wie funktioniert.
- Freilassende Ethik: Kybernetik 3. Ordnung lässt den Menschen genauso wie die Theorie Sozialer Systeme in sein eigenes Universum frei. Sie interessiert sich nicht dafür, Menschen zu ändern, sondern nur dafür, die FORM des Systems zu untersuchen und gewünschte Veränderung über Änderung der FORM anzustoßen.
Das schafft größere Unabhängigkeit von ideologischen Impulsen.

Wir können ohne jede falsche Bescheidenheit sagen, dass es sich bei Kybernetik 3. Ordnung um einen Game Changer handelt: Sie wurde geschaffen, um in Metakrisen und Wirklichkeitsemulation besser navigieren und nicht nur neue Problemlösungen, sondern auch neue Probleme kreieren zu können. Deshalb kommt sie auch - wie alle emergenten Modelle - mit neuen Konzepten, neuen Tools, neuen Techniken.

In ihrer Durchschlagskraft für menschliches Entscheiden lässt sie sich mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichen, und was FORMWELT angeht, ist sie hier und heute für Sprache und Informationstechnologie das, was vor 2.000 Jahren Euklids Elemente für Geometrie im Besonderen und Mathematik im Allgemeinen waren, mit dem Unterschied, dass Euklid in FORMWELT abgebildet werden kann und darin nur eine kleine Nische einnähme. - Wer denkt, das sei übertrieben: Ich meine es genau so! Es ist ein sachlicher Vergleich, kein Ego-Overflow.

Wir sind Menschen, und wir haben uns nicht so sehr geändert. Wir stecken vielleicht unsere Forscher nicht mehr unbedingt ins Gefängnis oder zünden die Scheiterhaufen an, aber der Impuls ist noch da, denn das Neue - und ganz besonders das Emergente - bedroht unsere innere Sicherheit. Die Orthodoxie ist überall - auch da, wo Menschen denken, sie arbeiten ganz vorn an der Front der neuen Vision der neuen Gesellschaft.

Die berühmte Anthropologin Margaret Mead hat einmal gesagt: "Unterschätze nie, was eine kleine Gruppe engagierter Menschen tun kann, um die Welt zu verändern. Tatsächlich ist das das einzige, was je etwas bewirkt hat." Damit hat sie auf den Punkt gebracht, was immer geschieht, wenn etwas Neues wie Kybernetik 3. Ordnung in die Welt gebracht wird: Die Pioniere schreiten voran, erobern die neuen Territorien, schaffen die neuen Märkte, und sie nehmen dabei Müh- und Drangsal bereitwillig auf sich, denn sie haben eine Vision.

Unsere Vision ist die Menschheit mit weiteren Modellen, Tools und Konzepten zu bereichern, die es ihr möglich machen, sich den unglaublich fundamental umwälzenden Herausforderungen zu stellen, die uns bevorstehen. Es kommt auf emergente Qualitäten an und darauf, die so großzügig in uns angelegten Kompetenzen besser zu nutzen. Evolution hat uns mit allem ausgestattet, was wir brauchen, um die kommenden Metakrisen zu bewältigen.

Kybernetik 3. Ordnung ist konsequent: Sie konzentriert sich genau darauf.
Sie hilft Energieverschwendung im Geistigen und Kommunikativen drastisch zu reduzieren, indem alleiniges trial and error durch wissenschaftliche Analyse und Arbeit mit naturwissenschaftlicher Härte ersetzt wird, und damit hilft sie auch wertvolle Zeit und Ressourcen materieller Art einzusparen.

Wer mit FORMen analysiert und mit FORMWELT-Konzepten beschreibt, der kann zeigen, wie er das macht und wird damit überprüfbar. So schaffen wir Kompetenzüberprüfungskriterien im Kontingenzraum geistiger und kommunikativer Leistung und ermöglichen so auch, Modelle, Konzepte, Methoden ... Anderer zu überprüfen. Das ist ein enormer Schritt für jeden Manager, Berater, Organisationsdesigner, Politiker ..., wenn er/sie über die Analyse der FORM zeigen kann, was funktioniert und was nicht.

Natürlich können Ignoranten dem Phänomen immer noch entkommen, dafür muss man nur schweigen und ausgrenzen. Wer aber Wert darauf legt Qualität zu liefern, der wird sicherlich diese neuen Möglichkeiten begrüßen.



Literatur:

https://www.carl-auer.de/uform-iform
https://www.suhrkamp.de/buecher/soziale_systeme-niklas_luhmann_28266.html

Weiterführende Links:

https://www.carl-auer.de/magazin/systemzeit
https://uformiform.info/
https://formwelt.info/de